Indianer, die bis in die Fußspitzen motivierte Reisende einen hohen Berg hinauf begleiten, werden gefragt, warum sie immer wieder Pause machen. Sie antworten: "Damit unsere Seele uns folgen kann."

 

Hypnotherapie nach Milton Erickson

 

Die Hypnose ist ein uraltes psychotherapeutisches Verfahren, das durch den Amerikaner Milton H. Erickson (1901 - 1980) entscheidend erweitert wurde. Durch seine Lese-Rechtschreibschwäche, seine Farbenblindheit und seine Kinderlähmung seit seinem 17. Lebensjahr war Erickson sehr darauf angewiesen, sensibel auch für feinste Aspekte der Kommunikation zu sein. Diese Erfahrungen haben seinen therapeutischen Ansatz sehr geprägt. Seine Art, Therapie zu machen war an vielen Stellen ungewöhnlich und für Lernende nicht so einfach nachzuahmen. Viele bekannte Therapeuten wie Paul Watzlawick oder Stephen Gilligan entwickelten seinen Ansatz weiter. Die Begründer des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) R. Bandler und J. Grinder haben die Kommunikation Ericksons sehr genau studiert; zwischen beiden Verfahren bestehen enge Verbindungen.

Hypnose/Hypnotherapie, was ist das eigentlich?Der Begriff "Hypnose" kommt vom griechischen "hypnos" und bedeutet soviel wie Schlaf. Aber auch, wenn es für den Außenstehenden so aussieht, als schliefe der Hypnotisierte, so ist eher das Gegenteil der Fall: im Zustand der Hypnose (Trance) findet eine Erhöhung der Konzentration und auch eine Aktivierung der sogenannten Alpha-Rhythmen im Gehirn statt. Die rechte Hirnhälfte mit ihrem bildhaften, phantasiereichen und kreativen Denken wird aktiviert, während die linke Hirnhälfte mit ihrem logisch-analytischen Denken nur wenig in ihrer Aktivität nachlässt; die bewusste Kontrolle bleibt damit weitgehend erhalten. In diesem Zustand ist eine Steigerung der Problemlösefähigkeit sowie mehr Kreativität möglich. Die Fähigkeit, eine Trance zu entwickeln ist übrigens angeboren. (Ich verwende den Begriff "Hypnose" im folgenden für die Klassische Hypnose, die Begriffe "Hypnotherapie" sowie "Hypnotherapeut" für das Vorgehen, das sich an Milton Erickson orientiert.)

 

Die Hypnose und ihre Geschichte

Sowohl in Ägypten als auch in hinduistischen Traditionen gab es hypnotische Praktiken, die mehr als 3000 Jahre zurückliegen. Seit der Antike bis zum Mittelalter wurde die heilende hypnotische Wirkung häufig einer übermenschlichen Kraft zugeschrieben. Hypnose hatte also etwas Mystisches und Spirituelles. Franz Anton Messmer (1734 - 1815) machte Schluss mit diesem mystischen Glauben; er sah die Hypnose als natürliche Kraft, allerdings zu lokalisieren außerhalb des Menschen. Auch diese Annahme wurde Mitte des letzten Jahrhunderts fallengelassen. Der Augenarzt James Braid (1795 - 1860) ging von körperlichen Veränderungen aus, die er zunächst als Schlaf (= Hypnose) beschrieb. Es wurden z.B. schmerzfrei Augenoperationen und Amputationen unter Hypnose durchgeführt. Mit der Einführung von Betäubungsmitteln wie Äther oder Lachgas verschwand die Schmerzbekämpfung durch Hypnose Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch wieder in der Versenkung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Hypnose von den Franzosen Liébeault und Bernheim als normales seelisches Phänomen begriffen, das auf Suggestion beruht. Der Einfluss der Hypnose ging dann wieder zurück, als sich Sigmund Freud - der Begründer der Psychoanalyse - nach anfänglicher Auseinandersetzung mit ihr gegen sie entschied. Seit ca. 1950 nahm die Klinische Bedeutung der Hypnose deutlich zu. Insbesondere durch eine verstärkte wissenschaftliche Forschung vor allem in den englischsprachigen Ländern und durch die Arbeiten von Milton Erickson konnte sich die Hypnose weiter entwickeln.

 

Hypnose, ... zwischen Glorifizierung und Ablehnung

Die Hypnose löst in unserer Gesellschaft unterschiedlichste Reaktionen aus. Häufig wird sie als letzte Rettung apostrophiert, wenn andere Maßnahmen nicht weiterhelfen. Andererseits schürt sie bei vielen Menschen Angst, die eigene Kontrolle zu verlieren und mit Haut und Haaren dem Hypnotiseur ausgeliefert zu sein. Auch die Showhypnose trägt eher zu einer Polarisierung der Meinungen bei. Bei der Showhypnose werden auch hypnotische Phänomene genutzt, andererseits spielen dabei Aspekte eine Rolle, die mit der klinischen Anwendung nicht vergleichbar sind. Der soziale Druck auf einer Bühne vor vielen Zuschauern bringt den Hypnotisanden manchmal dazu, sich auf etwas einzulassen, was ihn körperlich und seelisch überfordert. Klinische Hypnotherapeuten lehnen derartige Praktiken ab.

 

Wie sieht der Erickson'sche Hypnotherapeut den Menschen?

Die klassische Hypnose geht von der Suggestibilität als Wirkfaktor aus: wenn die Beziehung zwischen Klient und Hypnotiseur stimmt, können Fremdsuggestionen in positive eigene Suggestionen umgewandelt werden. Erickson hingegen entwickelte ausgehend von seinem eigenen Lebensschicksal eine Vorgehensweise, die der Eigenart des Klienten so weit wie möglich gerecht wird. Seine Utilisationstechnik meint: das therapeutische Angebot orientiert sich an der Eigenart, den Interessen, der Motivation, usw. des Klienten. Voraussetzung dafür ist natürlich, keine schematischen Formeln zu verwenden, sondern die Therapie auf die Einzigartigkeit des konkreten Menschen abzustimmen. Der Hypnotherapeut schaut auf die Potentiale und weniger auf die Defizite eines Menschen. Auch Symptome werden nicht als Defekte sondern als Besonderheiten betrachtet, die in besonderer Art zu verändern sind. Der Erfahrungsschatz des Menschen wird als riesig angesehen, die Starrheit von Denk- oder Verhaltensmustern lässt sich mit Trance durchbrechen. Dieser Erfahrungsschatz ist uns häufig nicht bewusst. Während der bewusste Verstand eher strukturierende, kontrollierende Fähigkeiten beherrscht, verfügt das Unbewusste über kreative Lösungen, die sich als Ressource nutzen lassen. Bei der von Erickson geprägten Hypnotherapie steht nicht die Suggestibilität des Klienten im Vordergrund sondern eine erweiterte Informationsverarbeitung in der Trance.

 

Was geschieht in der Erickson'schen Hypnotherapie?

Psychotherapeuten, die mit Hypnotherapie arbeiten, haben im Normalfall eine andere Therapieform zuerst erlernt, wie z.B. tiefenpsychologisch orientierte Therapie oder Verhaltenstherapie. Ein Therapeut wird die Hypnotherapie auf der Grundlage und in Ergänzung zu seiner therapeutischen Schule einsetzen. Er wird mit Hilfe der Hypnotherapie Bedingungen herstellen, die dem Klienten eine kreative Problemlösung ermöglichen. Zentral dabei ist die Trance. Um in Trance zu kommen, kann ein Therapeut eine klassische Induktionsmethode wie z.B. die Augenfixationsmethode verwenden. In der Trance lassen sich körperliche Reaktionen verändern wie der Muskeltonus oder die Durchblutung. Gleichzeitig erhöht sich die Vorstellungsfähigkeit. Traumatische Erfahrungen können in der Trance durch Dissoziation (=Abspaltung) abgeschwächt werden. Andererseits können fehlende Erfahrungen bei der Bearbeitung von belastenden Erlebnissen assoziiert (= verknüpft) werden. Der Therapeut wird dabei keine Lösungen fest vorgeben sondern in der Trance Suchprozesse auslösen. Dies ist aufgrund der Aktivierung der rechten Hirnhälfte viel leichter möglich. Es kann sinnvoll sein, sich in die Zukunft hineinzuversetzen, z.B. um eine schwierige bevorstehende Situation in der Vorstellung zu bewältigen oder sich vorzustellen, diese bereits bewältigt zu haben. Der Hypnotherapeut wird die Erickson'schen Prinzipien der Utilisation auch außerhalb der Trance anwenden. Er kann dabei z.B. Aufgaben geben, die gewohnte Denk-, Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster durchbrechen (beispielsweise der gewohnte Griff zur Flasche Bier). Er wird auch außerhalb der Trance daran arbeiten, den Klienten auf seine Ressourcen zu orientieren. Hierbei wendet er möglicherweise auch Techniken aus der Hypnotherapie nahen Verfahren wie der Familientherapie oder dem NLP an. 

 

Wem kann Hypnotherapie helfen?

Die Wirksamkeit der Hypnotherapie ist in verschiedenen Bereichen gut belegt. Ein verantwortungsvoller Therapeut wird sie immer im Rahmen eines umfassenden Therapieplanes einsetzen und sie mit anderen Verfahren kombinieren. Hypnotherapie kann insbesondere bei folgenden Krankheiten eingesetzt werden: Angststörungen, depressiven Reaktionen, einer Reihe von (psycho-)somatischen Störungen wie Bluthochdruck, Tinnitus oder Schmerzen, Gewohnheitsproblemen wie Rauchen, Störungen, die mit traumatischen Erlebnissen zusammenhängen. 

 

Information

 

1978 wurde mit dem persönlichen Einverständnis von Erickson die Milton Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose e.V. (M.E.G.) mit Sitz in München gegründet. Auf der Homepage finden Sie sowohl Informationen zur Ausbildung innerhalb der M.E.G. als auch Wissenswertes zur Hypnose und eine Hypnotherapeutenliste für Deutschland, Österreich und die Schweiz.